Notti 2
Lieder in deutscher und italienischer Sprache
Live aufgenommen am 15.03.1998 in der Kölner Philharmonie.
Konrad Beikircher über "Notti 2":
Es ist fünf Minuten vor acht. Matthias Raue, Tom Schlüter und ich stehen in der Kölner Philharmonie und spinxen noch mal aus dem Regieraum in den Saal. Es ist rappelvoll.
Noch fünf Minuten bis zum Konzert. Und nicht nur das. Heute wird die CD live aufgenommen, es muss also alles stimmen. Wir haben unser nächstes Konzert erst in sechs Wochen, bis dahin muss die CD schon ‘draußen’ sein. Wie immer in solchen Momenten stürmen Tom und ich die Toilette, Matthias stehen wie üblich die spärlichen ...
Haare zu Berge und wir alle drei haben nur einen Gedanken: Jungs, nix wie weg hier und wo geh’n wir essen?
Da kommt Franz Xaver Ohnesorg auf uns zu, sein strahlendstes Lächeln im Gesicht „Also dann, macht’s gut, es wird sicher wun - der - bar“ oh Mann, hat sich was mit wun - der - bar, mir schlottern die Knie und warum bin ich nicht einfach Psycho-Beamter im Knast geblieben, ist doch auch schön, oder? Klaus Schultz murmelt was von „Saal dimmen“ und dann öffnet sich die Tür, irgendwer schubst uns raus und da steh ich nun vor zweitausend Menschen und soll ihnen was aus meiner Seele erzählen, das Intimste was ich habe vor ihnen ausbreiten: meine Lieder.
Ich schnalle mir die Gitarre um und fange mit den Akkorden zu „notti“ an, jetzt nur nicht in die Leute schauen, da sind Bekannte und Freunde drunter, wenn ich die erkenne ist es aus mit meiner Konzentration, ah, guck mal, da hinten sitzt Dr. Mocci, Kulturattachè der Republik Italien in Bonn, auch wenn er ein feiner Friulianer ist, hätte er nicht einfach zu Hause bleiben können?
Ich schaue zu Matthias, da höre ich meine Gitarre, es rollt schön und langsam sind meine Gedanken da, wo sie sein müssen, bei mir. Langsam wird mir der Saal schwarz, ich sehe niemanden mehr, es gibt nur noch uns drei: Matthias, Tom und mich. Pulcinella, Dio antico, aber was ist mit den Monitoren plötzlich los? Ich höre weder Matthias noch Tom und an ihren Blicken sehe ich, dass die auch nix mehr hören, ruhig Jungs, keine Panik! steht schon auf dem Reiseführer „Per Anhalter durch die Galaxis“, wir sehen an unseren Bewegungen, was wer spielt und wenn alle Stricke reißen, spiele ich eben allein, scheiß was auf die CD, der Moment JETZT und die Leute HIER sind das, was zählt, dann noch der Blues und dann ist erstmal Pause.
Alle kommen an, schön, und wunderbar, aber ehrlich gesagt sehe und höre ich niemanden, ein Kuss meiner schönen Frau, war sie überhaupt da?, dann geht es wieder raus, Navarro, das Lied an meine Mutter, dann Qualtinger und plötzlich ist Zugabe.
Wirklich zu Hause war ich erst so gegen drei Uhr morgens, da spüre ich plötzlich die Nähe meiner Liebe und höre den Kleinen schnarchen, ah ja, heute war ja CD - Aufnahme in der Philharmonie. Ob das was geworden ist? Wie immer, wenn ich ein Konzert mit notti e poesia gegeben habe, weiß ich nachher überhaupt gar nichts. Ich weiß nicht, ob’s gut war, ich weiß nicht, ob’s schlecht war, ich weiß nur: wieder einmal habe ich mein Herz wie ein Handtuch ausgewrungen und dass das das einzig Richtige ist, was einer machen kann, wenn er Lieder aus seinem Ich singen will.
Ob meine Lieder jemals ein großer Erfolg werden? Ich sage Ihnen eines: wenn mir etwas egal ist, dann das. Weil: darum geht es nicht. Es geht nur darum, dass es echt ist. Wenn es Menschen gefällt: um so schöner. Aber: ich würde diese Musik auch machen, wenn es kaum einen interessieren würde. Und Matthias und Tom auch. So einfach ist das.